Wenn Sprache als Waffe missbraucht wird oder: Auflage ist alles...
Dass unsere Tageszeitung reißerische Überschriften liebt, musste ich ja schon selbst schmerzvoll erfahren. "Ein Rechtsanwalt, der Salz streut, ist kein Vorbild", prangte es über dem unautorisierten Leserbrief, den die LN am 21.3.2013 unter meinem Namen veröffentlichte. Diese Worte stammten aus der Feder des Redakteurs, nicht aus meiner.
Anscheinend ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass Überschriften besonders gut "ziehen", wenn sie ein Feindbild heraufbeschwören.
Das erleben wir auch dieser Tage, wenn es um vermutliche Wolfssichtungen im Lauenburgischen geht. "Lauenburgische ist Einfallstor für Wölfe" (!) titelt die Zeitung allen Ernstes über einem Artikel, der sich mit aktuellen Wolfsbeobachtungen befasst.
In dem Artikel werden wir aber dann darüber aufgeklärt, dass in Schleswig-Holstein noch kein einziger Wolf angesiedelt ist. Bei Wolfssichtungen handelt sich oftmals nur um Passagen einzelner Tiere, die zudem durch den starken Autoverkehr stark gefährdet sind. der NABU berichtet in diesem Artikel über Dutzende überfahrene Wölfe in Deutschland innerhalb der letzten Jahre, darunter auch Grausamkeiten wie ein mit dem Auto zu Tode gehetztes Tier...
Bedenken wir, dass der Wolf durch Jahrhunderte bei uns gnadenlos gejagt und schließlich völlig ausgerottet wurde. Es wurde geradezu zum Synonym für das Böse - Märchen wie Rotkäppchen, der Wolf und die sieben Geißlein, oder Redensarten "Wolf im Schafspelz" kultivierten das "Feindbild Wolf" bis zum heutigen Tag.
"Homo hominis lupus" sagten die alten Römer: der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.
Und wie falsch dieses Bild ist, können uns Wissenschaftler bestätigen: Wölfe haben ein hoch entwickeltes Sozialleben, und würden sich - im Gegensatz zum Menschen - niemals aus purer Streitlust gegenseitig bekämpfen.
Diese Polarwölfe fotografierte ich 2005 im Zoo Berlin. Sie strahlten eine große Würde und Ruhe aus. es war aber auch traurig zu sehen, wie wenig Platz sie in ihrem kleinen Gehege haben. In der Natur braucht ein Wolf viele km² Revierfläche und legt bis zu 120 km am Tag an Strecke zurück.
Wie irrational ist unser menschliches Denken und Handeln! Über 3000 Verkehrstote pro Jahr, aber niemand käme auf die Idee, Autos abzuschaffen oder hinter Gitter zu sperren. Stattdessen wird unser gesamtes Alltagsleben dem Mobilitätswahn untergeordnet...
Wann werden wir begreifen dass wir dabei sind, uns der Natur immer mehr zu entfremden? Und dass wir ohne Natur nichts sind: denn wir sind selbst ein Teil von ihr!
Mein heutiger Appell - nicht nur an die Zeitung: missbraucht nicht die Natur als Feindbild in der Sprache!
Habt Ehrfurcht vor der Natur - ohne sie ist der Mensch nichts!