Hatte Tucholsky Recht? Wer auf Schmutz hinweist... UPDATE vom 26.6.
>>In Deutschland gilt derjenige, der auf Schmutz hinweist als viel gefährlicher, als derjenige, der den Schmutz macht.<<
(Kurt Tucholsky)
Ich wusste nicht, wie gefährlich ich offenbar bin, bis ich im März 2013 die Wucht der Anfeindung durch meine Gegner zu spüren bekam.
Nach meinem unautorisiert veröffentlichten „Leserbrief“ zur Streusalz-Problematik vom 21.3.2013 bekam ich nicht nur umgehend geballten Zynismus, Häme und persönliche Demütigung in Form einer unsäglichen „Gegendarstellung“ zu spüren – nein, damit war es nicht genug: es wurde in Windeseile hinter den Kulissen ein Komplott aus Medienmacht und Interessenjustiz geschmiedet, um den vermeintlich angekratzten Ruf meiner Gegner zu „retten“.
Am Morgen des 7.5.2013 – unmittelbar vor der ersten mündlichen Verhandlung - eröffnete mir mein Anwalt, dass er noch am Abend zuvor vom vorsitzenden Richter angerufen worden war. Die Rechtsanwälte der Lübecker Nachrichten seien auf der Seite der Kläger dem Streit beigetreten, und man habe sich mit dem Richter darauf geeinigt, dass eine „Erledigung“ des Rechtsstreits ausgesprochen werden solle.
Ein erstaunlicher Vorgang: eine „Erledigung“ tritt normalerweise ein, wenn sich nach dem streitauslösenden Ereignis die „Sach- oder Rechtslage grundlegend ändert“. Das war mitnichten der Fall. - Auch der gemeinsame Versuch von Richter, Klägern und deren Streithelfern, es nicht zu einer mündlichen Verhandlung kommen zu lassen, wirkte befremdlich. Es widerspricht zutiefst dem Neutralitätsgebot, wenn sich Richter hinter den Kulissen mit einer Streitpartei auf ein Procedere einigen und der Richter dann selbst auf die andere Partei mit dem Ziel einwirkt, diesem Procedere zuzustimmen.
Da ich aber dieser „Erledigung“, die gleichzeitig eine Art Schuldeingeständnis gewesen wäre, nicht zustimmte, kam es ja nun doch zu dieser denkwürdigen Verhandlung, bei der ich vom Richter mit den erstaunlichsten Mitteln emotionaler Erpressung "bearbeitet" wurde (ich berichtete)...
Plan B von Richter und Gegenseite lautete ganz offensichtlich: wenn es zu keiner „Erledigung“ kommt, müssen die Kläger gewinnen. Dazu musste zunächst der normalerweise im Zivilrecht herrschende Beibringungsgrundsatz (auch „Dispositionsmaxime“ genannt) außer Kraft gesetzt werden. Dieser besagt: Gerichte legen ihrer Entscheidung nur den von den Parteien vorgetragenen und gegebenenfalls im Wege der Beweiserhebung ermittelten Sachverhalt zugrunde ("Da mihi facta, dabo tibi ius.")
Hätte das Gericht sich – wie vorgeschrieben – streng an diesen Grundsatz gehalten, wäre der Prozess spätestens nach der Aufdeckung der Tatsache, dass die Kläger mit der Zeitungs-Veröffentlichung nicht nur nicht eindeutig gemeint waren, sondern sogar nachweislich nicht gemeint waren, zu Ende gewesen.
Die einstweilige Verfügung hätte streng genommen überhaupt erst gar nicht ergehen dürfen, denn die von den Klägern beigebrachten Beweismittel dafür, dass sie mit dem Text angeblich gemeint waren, hätte schon der zuständige Amtsrichter als absolut nicht belastbar einordnen müssen. Hier sei beispielhaft genannt, dass 1. in der Veröffentlichung keine Personen namentlich genannt waren, 2. die Kläger allein die Zugehörigkeit zu irgendeiner „Werbegemeinschaft“ als Beweis anführten, dass angeblich nur sie gemeint sein konnten, und 3. die in der Veröffentlichung enthaltenen, subjektiven Meinungsäußerungen ohne Not in „Behauptungen“ umgedeutet wurden.
Doch in diesem Verfahren war von Beginn an alles anders. Es gab es keine „Dispositionsmaxime“ – es gab nur eine teleologische, sprich: zielgebundene Maxime. Die Kläger mussten gewinnen - koste es, was es wolle. Als Angehörige einer einflussreichen, „angesehenen“ Gesellschaftsschicht durften die Kläger unter keinen Umständen dulden, dass ihr Ruf in der Öffentlichkeit auch nur im Entferntesten Schaden nimmt. Mehr noch: als in eigener Sache tätige Rechtsanwälte sahen sie zum totalen Sieg keine Alternative, wollten die Schmach einer Niederlage unter keinen Umständen hinnehmen.
Das Verhalten der Zeitungsredaktion wurde ebenfalls von der ersten Minute an diesem Ziel untergeordnet. Zu diesem Zweck wurde massiv gegen Presse-ethische Grundsätze verstoßen. Es fing damit an, dass der für die Veröffentlichung vom 21.3.2013 verantwortliche Redakteur mir in einem Telefonat am nächsten Tag mitteilte, man wolle „zu dem Thema jetzt nichts mehr veröffentlichen“. Das war bewusst gelogen: bereits am darauffolgenden Tag (23.3.2013) erschien eine aggressive, zynische und im Vergleich zur Ausgangsmitteilung doppelt so lange Gegendarstellung, in der ich namentlich mit Verachtung und Häme übergossen wurde.
Im weiteren Verlauf wurden die Redakteure seitens ihrer Vorgesetzten durch mehr oder weniger subtile Formen emotionaler Erpressung auf eine gemeinsame Linie „eingenordet“: so redete man z.B. einer Redakteurin, die in der mündlichen Verhandlung vom 7.5. als Zeugin für mich aussagen wollte, ins Gewissen, sie solle sich gut überlegen, ob sie „gegen Ihren eigenen Kollegen“ aussagen wolle.
Es folgten Zensur und publizistische Kaltstellung meiner Person. Seit der unautorisierten „Leserbrief“-Veröffentlichung hat die Zeitung nichts mehr von mir oder über mich veröffentlicht. Über meine Vorträge vor dem Forst- und Grünflächenausschuss der Stadt Mölln wurde nicht berichtet, der LN-Redakteur Florian Grombein verließ sogar bei meinem zweiten Vortrag am 19.5.2014 noch vor Beginn meiner Ausführungen demonstrativ den Versammlungsraum.
Das Gericht wiederum konnte die Klage gegen mich nur durch einen Kunstgriff (den ich für vorsätzlich rechtswidrig und unvereinbar mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 97 Abs. 1 GG halte) aufrechterhalten: der Klagegegenstand musste von „Behauptungen“ in „Eindruckserweckungen“ umgetauscht werden. Auch für die unterlassungsbegründende „Wiederholungsgefahr“ musste man sich etwas ausdenken, da Leserbriefe per se laut gängiger Rechtsprechung wegen ihres einmaligen Charakters überhaupt keine Wiederholungsgefahr mit sich bringen.
Weder von den Klägern, noch vom Gericht oder der Zeitung (von der man es hätte erwarten müssen!) wurde im Entferntesten berücksichtigt, dass meine Mail vom 20.3.2013 an die Lübecker Nachrichten ein Whistleblowing zu einem eklatanten und fortgesetzten Missstand im Umgang mit der unmittelbaren städtischen Umwelt war.
>>Whistleblower sind Menschen, die illegales Handeln, Missstände oder Gefahren für Mensch und Umwelt nicht länger schweigend hinnehmen, sondern aufdecken. Sie tun dies intern innerhalb ihres Betriebes, ihrer Dienststelle oder Organisation oder auch extern gegenüber den zuständigen Behörden, Dritten, oder auch der Presse.<< (Quelle: Whistleblower Netzwerk e.V.)
Das machte mich zum Whistleblower: seit langem war mir der sorglose und rücksichtslose Gebrauch von Streusalz im Winterdienst aufgefallen. Ein hochrangiger Mitarbeiter des Forst- und Grünflächenamtes der Stadt Mölln bestätigte mir beispielsweise im Januar 2013 in einem Telefonat die (so wörtlich) „katastrophale Situation“ für die Bäume. Satzungswidriges Salzstreuen sei an der Tagesordnung. Man könne von der Stadt her nur noch „Schadensbegrenzung“ betreiben. Die Bäume müssten im Sommer „Infusionen“ bekommen, da das Erdreich um die Wurzeln völlig versalzen sei.
Diese Aussagen wurden jetzt bezeichnenderweise in einem Artikel der Lübecker Nachrichten vom 5.6.2015 bestätigt:

Hier einige Passagen, die meine schlimmsten Befürchtungen in Bezug auf schädliche Streusalz-Auswirkungen bestätigen und teilweise wirken, als wären sie von meiner damaligen Mail bzw. dem „Leserbrief“ vom 21.3.2013 abgeschrieben…

Aber um diese Thematik ging es im bisherigen Prozessverlauf nicht. Es ging unentwegt nur um mein vermeintliches „Vergehen“, das darin bestand, die Kläger möglicherweise durch meine Äußerungen kritisiert zu haben.
Es ging auch nicht um die Frage, ob meine Kritik angesichts der Umweltbrisanz der Thematik begründet und vielleicht sogar berechtigt war. Die vermeintlich beeinträchtigten Persönlichkeitsrechte der Kläger hatten in dem einstweiligen Verfahren oberste Priorität. Es durfte nicht der Hauch einer Kritik an ihnen hängenbleiben.
Ganz anders stand es um meine Persönlichkeitsrechte. Ich bekam von allen anderen Beteiligten - Kläger, Zeitung, Gerichte - eine „Täterrolle“ zugeschrieben, wurde dämonisiert und pejorisiert. Ausnahmslos alles, was ich tat, sogar lange vor der streitbefangenen Veröffentlichung, wurde mir zu meinem Nachteil ausgelegt. Mein Umweltengagement in Form vorangegangener, ganz normaler Leserbriefe wurde mir nachträglich angelastet und als Beweis für eine „Wiederholungsgefahr“ gewertet.
Es geriet mir sogar noch in der Berufungsinstanz des Eilverfahrens zum Verhängnis, in einer schriftlichen Eingabe die Kläger aufgefordert zu haben, über „eigenes Fehlverhalten“ nachzudenken: daraus zogen die Richter am Landgericht willkürlich den Schluss, ich habe „mit dem Thema (d.h. Streusalz) nicht abgeschlossen“ und es bestehe deshalb weiterhin eine "Wiederholungsgefahr".
Ganz anders wurde mit den Klägern umgegangen: diese konnten sich sogar in schriftlichen Äußerungen gegenüber dem Gericht ganz dezidiert gegen geltendes Recht stellen, indem sie behaupteten, für Streusalz im Winterdienst gebe es „keine Alternative“ (sic!).
So entstand die paradoxe Situation, dass mir einerseits ein umfassendes Verbot auferlegt wurde, die Kläger auch nur im Entferntesten mit „Streusalz“ in Verbindung zu bringen, andererseits die Kläger selbst unbehelligt Loblieder auf das Streusalz und sogar dessen rechtswidrigen Gebrauch singen durften.
Gerade am Beispiel des kollektiven Salzstreuverhaltens zeigt sich, dass die Menschen in der Gesellschaft nach einem Gehorsamsprinzip handeln, das außerhalb geltender Gesetze und Normen liegt, nur weil die Menschen glauben, dass dieses Handeln von ihnen verlangt wird (vgl. sozialpsychologische Experimente von Stanley Milgram). Dabei orientieren sie sich an Vorbildern, von denen sie annehmen, dass deren Verhalten „richtig“ ist.
Dass die Kläger selbst gar kein Interesse daran hatten und haben, der Vorbildrolle in Bezug auf einen satzungsgemäßen Winterdienst gerecht zu werden, sondern im Gegenteil die städtische Satzung schlichtweg zu ignorieren beabsichtigten, dokumentierten sie selbst in erschreckend dreister Weise mit ihrem Schreiben vom 11.12.2013 an das Landgericht Lübeck, in welchem sie ausführen, dass es für die Verwendung von Streusalz in der Möllner Innenstadt ihrer Meinung nach „keine Alternative“ gebe.
Vor dem Gesetz sind alle gleich?
Das, was ich in diesem Leserbrief-Prozess nunmehr seit 27 Monaten erlebte, lässt mich an unserem Rechtsstaat mehr als zweifeln.
Ich kann es nicht anders als Komplott empfinden, was da unter maßgeblicher Beteiligung des mächtigen Madsack-Medienkonzerns und willfähriger Richter geschmiedet wurde, sich vollkommen entspannt und angstfrei über geltendes Recht und ethische Grundsätze hinwegsetzend – offenbar weil es nicht den geringsten Grund zur Befürchtung gab und gibt, dass irgendeine Kontrollinstanz eingreifen könnte. Diese Vorgänge haben mich in Abgründe menschlichen Sozialverhaltens schauen lassen, die nur durch eine hauchdünne Decke angeblicher Rechtsstaatlichkeit und Zivilisation bedeckt sind.
Erstmals wahrt ein Richter seine Unabhängigkeit!
Dass in der ersten Instanz des Hauptsacheverfahrens nun erstmals ein Richter seine Unabhängigkeit gewahrt und bei dieser erbärmlichen Inszenierung nicht mitgemacht hat, ist zwar ein Lichtblick – doch wird das Verfahren vermutlich weitergehen (die Kläger haben Berufung eingelegt), und die nächste Instanz ist leider wieder das Landgericht Lübeck, das im einstweiligen Verfahren bekanntlich nicht den Mut hatte, richterliche Unabhängigkeit zu beweisen.
Darum bitte ich meine Leser, weiter mit Interesse und Aufmerksamkeit diesen Whistleblower-Prozess zu begleiten und mich - wo immer möglich - moralisch zu unterstützen! Vielen Dank!
UPDATE 26.6.
Heute ist die Berufungsbegründungsschrift bei mir eingegangen. Eigentlich erbärmlich, wie man sich jetzt an den Urteilen des einstweiligen Verfahrens festzuhalten versucht. Nach wie vor wird eine "latente Wiederholungsgefahr" (!) beschworen, obwohl ja nun seit inzwischen über zwei Jahren unstrittig ist, dass ich überhaupt keine Behauptungen über die Kläger aufgestellt habe. - Im Grunde wird die Angelegenheit immer grotesker, je länger der "Leserbrief" zurückliegt.
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