Eingenordet? - Wie emotionale Erpressung auch in einer Kleinstadt funktioniert...
Er sei froh, dass die Quellenhof-Erweiterung Fortschritte mache, sagte Bürgermeister Jan Wiegels in seiner Ansprache vor der Einwohnerversammlung der Stadt Mölln am 27. Mai 2015, wobei er das zu meinem Erstaunen explizit und namentlich an mich gerichtet sagte.
Was bedeutet diese Fokussierung des Themas auf meine Person? Was soll sie bewirken? Dazu später mehr…
Im weiteren Verlauf verlieh der Bürgermeister seinen Worten Nachdruck, indem er die Anstrengungen der Stadt Lauenburg für ein 5-Sterne-Hotel und das touristische Wachstum der Stadt Ratzeburg nicht zuletzt durch eine Hotel-Erweiterung lobte.
Diese Art des Vergleichens mit anderen kennen wir alle – gerade bei Konfliktthemen im zwischenmenschlichen Bereich ist sie sehr beliebt. Sie dient dazu, das Gegenüber auf Linie zu bringen oder wie es so schön heißt: "einzunorden".
„Dein Freund Peter ist ein braver Junge – er ist folgsam und macht immer seine Hausaufgaben“! – diese oder ähnliche Worte kennt jeder aus seiner Kindheit. Sie dienen dazu, dem Empfänger ein schlechtes Gewissen zu machen, sie machen ihm Angst vor Abwertung und Ablehnung der eigenen Person.
„Peter ist ein braver Junge“ – diese Worte enthalten noch nicht einmal direkte Kritik – und doch weiß der Empfänger: er selbst ist gemeint, weil er eben nicht immer brav ist und vielleicht nicht seine Hausaufgaben gemacht hat. Um von der Mutter / dem Vater wieder vorbehaltlos anerkannt zu werden, muss er deren Wünschen entsprechen.
Die amerikanische Autorin und Psychologin Susan Forward hat diese Methoden, die im menschlichen Miteinander in Familie und Politik, im beruflichen wie im privaten Leben ubiquitär vorkommen, in ihrem Buch „Emotionale Erpressung“ eindrücklich beschrieben. Seit ich vor einigen Jahren das Buch gelesen habe, erkenne ich emotionale Erpressung in meiner Umgebung sehr schnell – und bin damit selbst deutlich weniger erpressbar.
Emotionale Erpressung ist in der Politik z.B. im Zusammenhang mit Investitionen im Kleinen und im Großen häufig im Spiel: „Deutschland darf nicht den Anschluss verlieren“, ist ein oft gehörter bzw. gelesener Satz. „Sie vernichten Arbeitsplätze“, wirft man seinem politischen Gegner vor.
Im Zusammenhang mit Natur und Naturschutz wird eine besonders perfide Art der „Erpressung“ betrieben: Täter- und Opferrolle werden einfach vertauscht. Da heißt es dann z.B. in den Lübecker Nachrichten: „Bremsen Fledermäuse den Verkehr?“ oder „Verhindern Gänse ein Baugebiet?“ und ähnliches mehr. Das Thema Wolf eignet sich ebenfalls zu diesem Zweck: wer kann schon Totschlagargumenten wie z.B. der Gefährdung von Kindern etwas entgegensetzen?
„Bremst Naturschutz Quellenhof-Erweiterung?“ fragten die LN am 23. Juli 2014 – um dann wortkarg mitzuteilen, dass über die weiteren Planungen zwischen dem Bürgermeister, den Investoren und Umweltschutzbehörden bzw. -Verbänden „Stillschweigen“ vereinbart wurde.
Die Aussage dieser Nicht-Information war klar: jedes weitere öffentliche Wort über Naturschutz würde dieses für Mölln anscheinend lebenswichtige Projekt behindern. Und diese "Schuld" möchte sich ja nun niemand aufladen...
Es funktioniert! An dem „Stillschweigen“ hat sich bis heute nichts geändert! Allerdings ist inzwischen aus unterrichteten Kreisen durchgesickert, dass umfangreiche Baumfällmaßnahmen geplant sind.
Zusammengefasst sieht die „Information“ der Öffentlichkeit über die Quellenhof-Erweiterung durch die Medien so aus:
- 27.3.2014: Info-Veranstaltung der LTG zu Hertie-Umbau und Quellenhof-Erweiterung. LTG-Investor Kaus Schlie: „Wir werden den Astbereich ausdünnen – um mehr geht es nicht“ (Quelle: Artikel in der Online-Zeitung herzogtum direkt vom 29.3.2014)
- 23.7.2014: LN-Artikel: „Bremst Naturschutz Erweiterung des Quellenhofes?“ Vertreter der Naturschutzbehörde, Bürgermeister Jan Wiegels und eine Delegation der LTG haben sich den Hang unterhalb des Hotels Quellenhof angesehen. Über das Ergebnis wurde „Stillschweigen vereinbart“.
- 20. 5.2015: Bereisung der Möllner Grünflächen auf Einladung des Forst- und Grünflächenamtes. Aus dem Programm-Flyer: „In den letzten Monaten wurde in städtischen Gremien über einen möglichen Anbau zum Quellenhof beraten. Für den Erweiterungsbau zur Hotelnutzung ist es angedacht, auf rund 500 m² in der angrenzenden Hangfläche Gehölze zu entfernen, um den Blick auf die Altstadt zu optimieren.Für den Anbau notwendige , zusätzliche Parkplätze sollen vor Ort nachgewiesen werden. Dafür stehen die auf dem Quellenhof-Parkplatz vorhandenen Großbäume zur Disposition.“
- 23.5.2015 Artikel im Möllner MARKT:
Und so sind es also unser Grünflächenamt und der Möllner MARKT, die zumindest eine Diskussionsgrundlage zur Verfügung stellen.
Öffentlichkeit ist das Brot der Demokratie - Hinterzimmerpolitik ihr Untergang!